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In Ludwigshafen hielt Edith Stein mehrere Vorträge an den Schulen der Dominikanerinnen (heute Geschwister-Scholl-Gymnasium), und hatte Kontakt zum Ärzte-Ehepaar Hirschler, wo sie den Philosophen Ernst Bloch kennen lernte.
In Ludwigshafen – von Speyer aus leicht zu erreichen – hielt Edith Stein drei oder vier Vorträge:
– am 12.4.1928 über das Thema „Der Eigenwert der Frau in seiner Bedeutung für das Leben des Volkes“ (ESGA 13, 1-15) auf der Hauptversammlung des Vereins der katholischen bayerischen Lehrerinnen (die Pfalz gehörte noch zu Bayern);
– am 13.1.1931 in der Ortsgruppe des Katholischen Akademikerverbandes den Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis. Menschwerdung und Menschheit“, zu dem sie Pfarrer Ludwig Husse eingeladen hatte;
– Anfang November 1931 war sie von Speyer aus in Ludwigshafen und evtl. hielt sie dort ihren Elisabeth-Vortrag;
– am Sonntag, den 26. Juni 1932, hielt Edith Stein in St. Dominikus ihren Goethevortrag „Natur und Übernatur in Goethes ‚Faust‘“ (Br. 190 Anm. 2, Br. 196), vor dem Verein kath. Bayerischer Lehrerinnen.
Die 15. Hauptversammlung des Vereins der katholischen bayerischen Lehrerinnen in Ludwigshafen (11.-14.4.1928) stand unter dem Thema „Frauenbildung und Gegenwartsaufgaben“. Edith Steins Vortrag am 12.4. lautete: „Der Eigenwert der Frau in seiner Bedeutung für das Leben des Volkes“. Er fand im damaligen Vereinshaus der IG Farben in der Rupprechtstraße statt. Zuvor war um 8h der Festgottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche. Am Tag danach, Freitag, 13.4. feierte Pfr. Ludwig Husse um 8h die Hl. Messe für alle verstorbenen Vereinsmitglieder in der Ludwigskirche.[1] Er lernte dort wohl Edith Stein kennen und lud sie später zum Vortrag über das „Weihnachtsgeheimnis“ ein.[2]
Der Text „Der Eigenwert der Frau in seiner Bedeutung für das Leben des Volkes“ wurde in der Jugendnummer der Zeitschrift Zeit und Schule, Nr. 5, München 1.7.1928 veröffentlicht (ESGA 13, 1-15). Vorgeschlagen wurde Edith Stein als Referentin von Klara Barth (1880-1940), Kreisvorsitzende des „Vereins katholischer bayerischer (später: deutscher) Lehrerinnen“. Sie wohnte damals in Ludwigshafen in der Pfarrei von Pfarrer Ludwig Husse. Klara Barth war außerdem von 1920 bis 1933 Abgeordnete der Pfalz für den Bayerischen Landtag (die Pfalz gehörte politisch zu Bayern).
Edith Stein hielt am 13.1.1931 in Ludwigshafen, in der Ortsgruppe des Katholischen Akademikerverbandes, den Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis. Menschwerdung und Menschheit.“ Pfarrer Ludwig Husse (1890-1976) lud Edith Stein zu einem Vortrag „Das Weihnachtsgeheimnis“ (am 13. 1. 1931) nach Ludwigshafen ein. Er wurde publiziert in der Zeitschrift Die katholische Schweizerin[3] (ESGA 19, 2-14).
Eventuell hielt Edith Stein Anfang November 1931 in St. Dominikus, Ludwigshafen, einen Vortrag über Elisabeth von Thüringen (Br. 183), sie sprach dort zumindest Sr. Agnella Stadtmüller.[4]
Am Sonntag, den 26. Juni 1932, hielt Edith Stein in St. Dominikus einen weiteren Vortrag, anläßlich des Goethe-Jahres „Natur und Übernatur in Goethes ‚Faust‘“ (Br. 190 Anm. 2, Br. 196). Eingeladen hatte der „Verein kath. Bayerischer Lehrerinnen“, deren Mitglied Auguste Nick sie am 22.4.1932 außerdem bat, zuvor auch schon „kurz zu unserer Jugend“ zu kommen. Auguste Nick hat Edith Stein im Kölner Karmel zur Feier ihrer Einkleidung (15.4.1934) und am Profeßtag (21.4.1938) besucht.
Das Kloster St. Dominikus in Ludwigshafen war eine Gründung der Dominikanerinnen von St. Magdalena in Speyer aus dem Jahr 1927. Die Ordensfrauen führten dort ein Mädchengymnasium und eine Mittelschule (Realschule). Die Schulen wurden 1937/38 den Schwestern genommen und gingen an die Stadt Ludwigshafen über. Das Gymnasium führt heute den Namen Geschwister-Scholl-Gymnasium.
In Ludwigshafen besuchte Edith Stein öfter die Familie von Lene Riess, bzw. Dr. med. Helene Hirschler (1888-1977). Sie hatte in Breslauer mit Edith Steins Schwester Erna Medizin studiert und war mit Dr. Max Hirschler in Ludwigshafen verheiratet; sie wohnten am „Rheinblock“.
Helene Hirschler war die Hausärztin der Familie von Irmgard Koch, einer Schülerin Edith Steins. Irmengard (Irmgard) Koch OSB (1908-1962), ehemalige Schülerin Edith Steins in Speyer, trat 1930 in den Benediktinerinnen-Orden ein und legte die ersten Gelübde ab. Sie verließ den Orden wegen ihrer schweren Erkrankung. P. Lucas Koch war ihr Bruder, Mönch der Abtei Beuron.
Bei der Familie Hirschler traf Edith Stein auch Emil Henk (1893-1969), Literaturhistoriker und Lyriker, Unternehmer und Sozialdemokrat. 1934 geriet er in Haft, kam aber frei. Er hatte Verbindungen zum Widerstand des 20. Juli 1944, war Mitbegründer des Hilfswerks für die Hinterbliebenen, auch Erforscher der Widerstandsgeschichte im Dritten Reich und Wegbereiter der Demokratie nach 1945.
Er sandte Edith Stein „einen kleinen Aufsatz über die kath. Dichterin Ruth Schaumann“[5] und wies auf eine möglichen Seelenverwandtschaft zwischen den beiden hin: „Falls sie Ihnen unbekannt sein sollte, hoffe ich Ihnen einen Hinweis auf eine sehr innerliche Frau gegeben zu haben, die Ihnen übrigens in manchen Fragen nahestehen wird. Ich entsinne mich so z. B. gerne auf unser kurzes Gespräch bei Dr. Hirschler in Ludwigshafen, das Ihre Neigung zur Mystik hervortreten ließ: eine Neigung, die bei R. Schaumann nicht weniger stark ist. Ich darf noch bemerken, daß die Stelle über Franz von Assisi gelegentlich (auf Wunsch der Dichterin) abgeändert wird; in einem ausführlichen Aufsatz über die Berührungspunkte beider werde ich mich präziser äußern. Und in einem dritten über ihre Mystik.“ (Br. 117, 27.11.1930)
Im Haus der Hirschlers traf Edith Stein den Philosophen Ernst Bloch (1885–1977). Nach der Aussage von Hirschlers Sohn Eric E. Hirshler (USA) hatten Edith Stein und Ernst Bloch eine lange und ernste Unterredung miteinander, in der Wohnung seiner Eltern in Ludwigshafen (am „Rheinblock“). Nach seiner Erinnerung fand diese Begegnung nach einem der Ludwigshafener Vorträge statt.[6]
Edith Stein schrieb an Anneliese Lichtenberger, ihre Schülerin, die mit ihren Eltern gerade nach Ludwigshafen umgezogen war. Sie riet ihr, sich eine ehrenamtliche Beschäftigung zu suchen: „in Ludwigshafen gibt es sicher reiche Gelegenheit zu caritativsozialer Arbeit. Du brauchtest nur mal ins Herz-Jesu-Pfarrhaus zu gehen zu Fräulein Husse (ihr und Herrn Pfarrer Husse herzliche Grüße zu sagen) und sie zu bitten, daß sie Dich helfen lassen möchte. […] Übrigens: Wenn Du in Ludwigshafen keinen Beichtvater weißt, kommt vielleicht auch Herr Pfarrer Husse in Betracht. Du wirst ja gewiß manchmal Sr. Agnella besuchen. Das ist die nächste Nachbarschaft von Herz Jesu.“ (Br. 197, 2.5.1932)
Sr. Agnella war damals im Schuldienst am Gymnasium der Dominikanerinnen von St. Dominikus in Ludwigshafen. Franziska Husse (1899-1975) war nicht nur Wirtschafterin im Haushalt ihres Bruders, sondern teilte auch seine zahlreichen karitativen und sozialen Werke. Pfarrer Husse war Träger des Bundesverdienstkreuzes und Ehrenbürger der Stadt Ludwigshafen. Papst Johannes XXIII. verlieh ihm den Titel eines Päpstlichen Hausprälaten. Er engagierte sich in starkem Ausmaß in der Caritas- und Sozialarbeit. (Br. 128, 2.1.1931)
Edith Stein war stolz auf den Werdegang ihrer Schülerinnen, die sie liebevoll „meine Kinder“ nannte, wie sie an Sr. Callista Brenzing, eine befreundete Zisterzienserin aus Seligenthal/Landshut, schrieb: „Daß meine 3 großen Kinder nun alle in leitenden Stellungen sind in Speyer (Sr. Immolata [Matheis,] Lyceumsdirektorin) – Ludwigshafen [Agnella Stadtmüller] (Subpriorin) – Mannheim [Callista Kopf] (?), werden Sie wohl wissen.“ (Br. 198, 5.5.1932) Edith Stein meint die jungen Dominikanerinnen, die sie auf ihrem Studienweg mit Privatstunden, Ratschlägen und Gebet begleitet hatte. In Speyer handelt es sich um die Schulen des Klosters St. Magdalena, in Ludwigshafen St. Dominikus, in Mannheim um das 1923 gegründete Dominikanerinnenkloster Herz Jesu; die Mädchenschule dort führte den Namen „Luiseninstitut“.
Agnella (Maria) Stadtmüller (1898-1965), Dominikanerin von St. Magdalena in Speyer, trat als junge Volksschullehrerin in den Orden ein, machte 1925 am Mädchengymnasium der „Englischen Fräulein“ (heute „Maria-Ward-Schwestern“) in Regensburg die Ergänzungsprüfungen zum Abitur, studierte in Heidelberg und München, promovierte 1930 zum Dr. phil. Später unterrichtete sie an den ordenseigenen Schulen in Speyer und in Ludwigshafen. Sr. Agnella war in St. Magdalena besonders mit Edith Stein verbunden. Diese gratulierte ihr alljährlich zum Fest der hl. Agnes (am 21. Januar) zum Namenstag. Agnella Stadtmüller (vgl. Br. 324 Anm. 2) war in Ludwigshafen an den höheren Schulen der Dominikanerinnen tätig gewesen. Nachdem im April 1938 den Schwestern die Schule vom Staat genommen wurde, kam Sr. Agnella wieder nach Speyer. In Ludwigshafen lebte ihre Kusine Auguste Prignon (1886-1971, Br. 324 Anm. 9), die Lehrerin in der Pfalz und gleichfalls mit Lichtenbergers (Anneliese Lichtenberger, Schülerin von ES) befreundet war. Anneliese Lichtenberger (1912-1935) war Schülerin Edith Steins am Lehrerinnenseminar (Br. 408). Zum Tod ihrer einzigen Tochter kondolierte Edith Stein den Eltern Katharina Lichtenberger geb. Bissinger (1880-1964) und Karl Lichtenberger (1880-1956).
Amata Neyer (1922-2019), ergänzt durch Beate Beckmann-Zöller (2020)
[1] Neyer, Amata, „Die Vorträge Edith Steins aus den Jahren 1926-1930“, in ESJ 2000, 410-431, 413-15. Vgl. auch ESGA 4, Br. 122, 13.5.1928.
[2] Neyer, Amata, 415.
[3] Hg. vom Schweizerischen katholischen Frauenbund, 23. Jg. Nr. 3, 5. Dezember 1935 und Nr. 4, 15. Januar 1936 (Einsiedeln).
[4] Neyer, Amata, „Die Vorträge Edith Stens aus den Jahren 1931-1932“, in: ESJ 2001, 318-337, 325.
[5] Ruth Schaumann (1899-1975), Lyrikerin, Bildhauerin, Graphikerin, war verheiratet mit dem Kulturkritiker und Schriftleiter des Hochland Friedrich Fuchs (1890–1948). Ob Edith Stein Ruth Schaumann gekannt hat, ist noch ungeklärt.
[6] Vgl. Waltraud Herbstrith [Hg.], Erinnere dich – vergiß es nicht, Annweiler/Essen 1990, S. 265 f.