Edith Stein in Grüssau, Benediktinerabtei (Schlesien)

Bezüge zu Edith Stein in Grüssau, Benediktinerabtei (Schlesien)

Auch in Schlesien – in der Nähe ihrer Heimat Breslau – fand Edith Stein eine geistliche Oase, die Benediktiner-Abtei Grüssau, bei Liegnitz (Niederschlesien, heute: Krzeszów, bei Legnica). Sie kam über ihren Geistlichen Begleiter, Erzabt Raphael Walzer von Beuron (1888-1966), mit dem jungen Abt Albert Schmitt (1894-1970) in Kontakt. Im Sommer 1929 besuchte sie die Abtei, danach blieben beide bis zu ihrem Eintritt in den Karmel in brieflichem Austausch.

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Da Grüssau (Niederschlesien / Kreis Liegnitz) ca. 2-3 Bahnstunden vor Breslau liegt, war Edith Stein dort 1929 in den Sommerferien von Breslau aus zu Besuch. Auf dem Weg dorthin hatte sie ihren Vortrag „Über die Mitwirkung der klösterlichen Bildungsanstalten an der religiösen Bildung der Jugend“ konzipiert, den sie Ende August in München vor Klosterfrauen aus allen bayerischen Lehrorden halten musste. (Br. 79b an Abt Albert Schmitt, 30.11.1929)

1242 schon als Benediktinerpropstei gegründet, war Grüssau ab 1292 bis zur Säkularisation 1810 Zisterzienserkloster. Erst 1919 konnte es durch deutsche Benediktiner aus dem Prager Emauskloster neubesiedelt werden. Albert Schmitt wurde 1924 vom Grüssauer Konvent, der gerade zur Abtei erhoben worden war, als erster Abt bestimmt. Seine Vermittlungsversuche zwischen der katholischen Kirche und dem Nationalsozialismus wurden von Teilen des Konvents und des schlesischen Klerus abgelehnt. Seine Sympathie kühlte jedoch schon 1934 von selbst ab.

1940–1945 wurde das Kloster beschlagnahmt und beherbergte als „Lager Grüssau“ unterschiedliche Gruppen, Vertriebene, aber auch deportierte Juden auf dem Weg ins Lager Theresienstadt. Die Mönche, die nicht im Krieg gefallen waren, kehrten nach Kriegsende zunächst in das Kloster zurück, wurden jedoch am 12.5.1946 gemeinsam mit der übrigen Bevölkerung vertrieben.

Abt Albert Schmitt hatte Grüssau zusammen mit den älteren bzw. kranken Mönchen bereits am 27.2.1945 verlassen. Er gründete 1947 für seinen Konvent die Abtei Grüssau in Bad Wimpfen im Bistum Mainz.

Ab 1947 wurde das schlesische Kloster, umbenannt in „Krzeszów“, durch vertriebene polnische Benediktinerinnen (aus Lemberg) neubesiedelt. Nach 1989 wurde Grüssau wieder bedeutender Wallfahrtsort, vor allem als am 2.6.1997 das Grüssauer Gnadenbild durch Papst Johannes Paul II. gekrönt und am 11.8.1997 abermals inthronisiert wurde.

Edith Stein verband eine geistlich-geistige Freundschaft mit dem jungen Benediktiner-Abt Albert Schmitt, der aus Beuron in die schlesische Abtei Grüssau gekommen war.[1] 8 Briefe und 3 Postkarten schrieb er zwischen 1930 und 1934 an Edith Stein. Sie schrieb ihm z. B., dass sie „ihren Kindern“ (den Speyerer Schülerinnen) aus einem Buch eines Grüssauer Paters in den gemeinsamen Abendstunden vorlas: „Sie sehen, St. Benedikts Heiligtum in Schlesien hat mich nicht mehr losgelassen, seit ich dort war. Es ist mir nun, ebenso wie Beuron und Neuburg [Heidelberg], unauslöschlich ins Herz geschrieben, und ich suche aus der Ferne ganz still mit daran zu bauen, so gut ich es vermag.“ (Br. 79b, 30.11.1929)

Auch ihre Sorge um ihre Schwester Rosa vertraute sie Abt Albert an. Rosa fühlte sich ebenfalls zum Christentum hingezogen, was zu Konflikten in der Familie führte.

In den späten Zwanzigerjahren neigte Edith Stein dazu, das „benediktinische Leben“, das sie in Beuron an den Festtagen mitlebte und auch in Grüssau als Gast erlebte, mit dem Christentum schlechthin gleichzusetzen: „Das benediktinische Leben [bedeutet …] für mich nichts anderes […] als – wenn es völlig realisiert wäre – vollkommene Nachfolge Christi“. (Br. 72a an Adelgundis Jaegerschmid, 9.6.1929) Umso mehr verwundert es, dass sie dann doch in den Karmel eingetreten ist; die jüdische Verbindung zu den Wurzeln des Karmel im Hl. Land war stärker.

In Edith Steins Briefwechsel mit Abt Albert Schmitt wird auch eine kritische Rezension ihrer Thomas-Übertragung eines Paters aus Grüssau erwähnt wird, die leider nicht auffindbar ist, da der Name des Autors nicht erwähnt wurde. Daran wird deutlich, dass die Fachwelt Edith Steins Werk nicht nur positiv aufgenommen hat; sie selbst war dankbar für jegliche konstruktive Kritik:

„Die Grüssauer Besprechung meines Thomas[2] habe ich leider gar nicht zu Gesicht bekommen. Mein Buchhändler erzählte mir davon, konnte sie mir aber nicht mehr geben. Er war nicht erbaut davon, weil sie ihm zu negativ schien. Mich hätte sie gerade darum interessiert, denn von anderer Seite habe ich bisher nur Zustimmendes gesehen und gehört.“ (Br. 186a, 5.1.1932)

  1. Albert hatte selbst eine Rezension schreiben wollen, wozu es aber nicht gekommen ist (Br. 153a). „Wie ich Ihnen gelegentlich schrieb, war der Verleger mit der Grüssauer Besprechung des I. Bandes nicht zufrieden und war daher nicht zu bewegen, ein Rezensionsexemplar des II. Bandes in Ihr Haus zu schicken. […] Ich persönlich bin für jede kritische Äußerung natürlich nur dankbar.“ (Br. 186b, 12.11.1932)

Beate Beckmann-Zöller (2020)

[1] Lob, Brigitte, Albert Schmitt O.S.B., Abt in Grüssau und Wimpfen. Sein kirchenpolitisches Handeln in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Köln / Weimar 2000.

[2] Des heiligen Thomas von Aquino Untersuchungen über die Wahrheit. In deutscher Übertragung von Edith Stein, Band 2, Breslau 1932, (ESGA 23/24, eingel. u. bearb. v. Andreas Speer u. Francesco Valerio Tommasi, Freiburg i. Br. 2008).