Edith Stein in Bonn

Bezüge zu Edith Stein in Bonn

Edith Stein hielt einen Vortrag über „Moderne Frauenbildung“ (1931), kannte einige Bonner Persönlichkeiten und hatte Kontakte zum Verlag Cohen, zum Kloster Walberberg und zum Karmel Pützchen.

Heute gibt es in Bonn verschiedene Orte, die uns Edith Stein lebendig halten:

  • Seit 1993 das Gemeindezentrum St. Edith Stein, Borsigallee, Bonn/Brüser Dort schuf der Künstler Michael Blum eine Edith-Stein-Stele. https://www.katholisch-in-duisdorf.de/kirchen/st._edith_stein/
  • In Bonn-Finkenhof gibt es eine „Edith-Stein-Anlage 1-26“ und ein Hinweis-Schild mit der Aufschrift: „Dr. phil. Edith Stein, geb. 1891, Karmeliterin[1], Philosophin, Laientheologin, ermordet im KZ Auschwitz am 9.8.1942.“
  • Seit 2004 ist die Kapelle im Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn, Kaiserstraße 161, Edith Stein geweiht.

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In Bonn war Edith Stein wohl nur einmal persönlich, es gibt jedoch einige Verbindungen dorthin. Eine erste Verbindung Edith Steins nach Bonn ist der Verlag Cohen, bei dem Alexandre Koyrés Buch Descartes und die Scholastik 1923 erschien. Edith Stein und Hedwig Conrad-Martius hatten das 1922 in Paris unter dem Titel Essai sur L’idée de Dieu et les preives de son existence chez Descartes erschienene Buch übersetzt, ohne dass ihre Übersetzer-Namen genannt wurden.

Der Verlagseigner Fritz Cohen vermachte den Verlag 1927 seiner Frau Hedwig geb. Bouvier, die ihn ab 1938 unter ihrem Mädchen-Namen weiterführte. Die Universitätsbuchhandlung Bouvier existierte bis 2004 in Bonn.

Das Buch wurde 1971 in reprographischem Nachdruck neu herausgegeben durch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. 2005 erschien es als ESGA 25.

Auch der von Helmuth Plessner, den Edith Stein in Göttingen kennengelernt hatte, herausgegebene Philosophische Anzeiger wurde in Bonn bei Cohen publiziert (ESGA 4, Br. 101, 24.10.1926).

Der erste und einzig belegbare Besuch Edith Steins in Bonn ist anlässlich ihres Vortrags „Moderne Frauenbildung“ am 12.11.1931 auf Einladung der katholischen Studentenschaft im Bonner Bürger-Verein, Gesellschaftshaus in der Poppelsdorfer Allee, Ecke Prinz-Albert-Straße.[2] Der stattliche Jugendstil-Bau wurde 1969 gesprengt, dort steht das Hotel Bristol. In der „Deutschen Reichs-Zeitung“ wurde am 13.11.1931 ausführlich berichtet (s. Edith Stein und Pädagogik).

Ihre Katechumena Hedwig Spiegel aus Köln war mit dabei. (ESGA 2, Br. 178, Anm. 3) Nach dem Vortrag in Bonn lernte Edith Stein den kath. Philosophen Prof. Alois Dempf persönlich kennen, der lebhafte Beziehungen zu den Abteien Beuron und Maria Laach hatte. Sie selbst berichtet von ihrer Begegnung mit ihm 1932 in Aachen (vgl. Br. 223).

Eingeladen war sie nach dem Bonner Vortrag, gemeinsam mit ihrer Ketechumena Hedwig Spiegel, zu Prof. Hermann Platz und seiner Familie. Hermann Platz (1880-1945) war Kulturphilosoph und galt als bedeutende Persönlichkeit in der Erneuerungsbewegung des deutschen Katholizismus vor und nach dem I. Weltkrieg; in Bonn war er Professor für Romanistik. Er wohnte in der Goethestraße 38. Er war mit Dempf befreundet, vielleicht war er auch bei dieser Begegnung dabei.

Wahrscheinlich ist Edith Stein am 13.11.1931 von Bonn nach Freiburg gereist, denn für den 14.11.1931 ist ein Besuch Edith Steins bei Husserl verzeichnet (vgl. HChr. S. 394).

Ob ihre Göttinger Kommilitonen bzw. Mit-Phänomenologen Günther Müller (1890-1957) und Oskar Becker (1889-1964), die beide an der Bonner Universität beschäftigt waren und deren Grabstätten sich auf dem Poppelsdorfer Friedhof befinden, ebenfalls zu ihrem Vortrag kamen, ist unwahrscheinlich; zumindest finden wir weder bei Edith Stein noch anderen eine Bemerkung dazu.

Edith Stein stand mit Maria Beermann (1890-1978) aus Bonn in Kontakt (ESGA 2, Br. 190, 16.3.1932). Sie war Oberstudienrätin an der Clara-Schumann-Schule in Bonn, nach dem Krieg Oberstudiendirektorin an der Hildegardis-Schule in Köln. Über sie hatte Edith Stein versucht, die Examensarbeit von P. Heinrich Klein SJ (1901-1985) „Katholisches in Goethes Faust“ zu erhalten, in der Vorbereitung auf ihren Goethe-Vortrag „Natur und Übernatur in Goethes Faust“ (ESGA 16, 157-168).[3] Diesen Vortrag hielt sie 1932 an mehreren Orten, u.a. Münster und Ludwigshafen. Beermann war auch eine gute Freundin von Edith Steins Novizenmeisterin Renata Posselt, wie Sr. Amata Frau Rosenau mündlich mitteilte.

Auf ihrer Reise zur Tagung „Scholastik und Phänomenologie“ (12.9.1932) nach Paris / Juvisy lernte Edith Stein den Bonner Priester, Theologen und Philosophen Gottlieb Söhngen kennen. Ein Kontakt mit dem „Ziehvater“ von P. Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) über dieses Treffen hinaus ist nicht belegt. Er war 1914 in München zum Dr. phil. promoviert worden, wirkte 1924-1930 als Dozent und Geschäftsführer an der Albertus-Magnus-Akademie in Köln und promovierte 1929 zum Dr. theol. in Tübingen. Als Edith Stein ihn kennen lernte, hatte er sich im Jahr zuvor für die Fachverbindung Philosophische Propädeutik und Fundamentaltheologie durch die Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert und war 1931-1937 Privatdozent in Bonn. Später wirkte er in Braunsberg (Ostpreußen, 1937-1945) und München (1947-58), wo er sich für die Habilitation von Joseph Ratzinger gegen den Widerstand des einflussreichen Michael Schmaus einsetzte.

 

Prof. Wilhelm Neuß (1880-1965) aus Bonn war ein Bekannter Edith Steins, der sie im Karmel in Köln besuchte. Er wohnte in der Humboldtstr. 9 und wirkte als Professor für Kirchengeschichte und christliche Archäologie in Bonn. Durch seine Kontakte konnte er Edith Steins Freunden Hedwig und Dr. Siegfried Spiegel helfen, in die USA auszuwandern. (ESGA 3, Br. 320, Br. 469) Er spendete am 15.10.1934 der Bekannten Edith Steins Dr. Lisa Meirowsky (Kinderärztin) die Taufe; sie kam mit Edith Stein gemeinsam in Auschwitz um.

In Br. 521 (31.08.1937) bittet Edith Stein ihre Freundin und ehemalige Schülerin Agnella Stadtmüller „um die Bonner Adresse von Frl. Neumann“, um sie zur Jubiläums-Feier in den Karmel einzuladen. In Edith Steins Nachlaß befindet sich ein Adreßbuch mit der alten Adresse: „Elisabeth Neumann, Tübingen, Wilhelmstr. 18/II.“ Es könnte sich um eine ehemalige Schülerin aus Speyer handeln.

Vom Kölner Karmel aus bestanden selbstverständlich gute Beziehungen zum Karmel „St. Joseph am Pützchen“ in Beuel/Bonn. Die Schwestern dort nahmen vorerst die Mitschwestern auf, die von der deutschen Besatzung aus ihrem Eigentum in Luxemburg vertrieben worden waren. Das Kloster wurde in ein BDM-Heim („Bund deutscher Mädel“) umfunktioniert, nach dem Krieg aber den Karmelitinnen zurückgegeben. Seit 1998 wurde der Karmel verlegt nach Lembeck bei Dorsten/Westf.

Die deutsche Thomas-Ausgabe „Die Deutsche Summa“ wurde im Kloster und Studienkolleg Walberberg bei Bonn u.a. vom Hautschriftleiter P. Heinrich M. Christmann (Dominikaner, 1890-1965) betreut. Edith Stein schickte ihm das Wörterverzeichnis ihrer Thomasübertragung, wie auch ihre Besprechung des 1. Bandes der Deutschen Summa (Gottes Dasein und Wesen, ESGA 3, Br. 369, 8.2.1935).[4]

Ein weiterer Mitarbeiter in der Bonner Redaktion der Deutschen Thomasausgabe war Carl Theo Clasen (1908-1988). Er trat mit Edith Stein bezüglich ihres Thomas-Wörterverzeichnisses in Kontakt (Br. 379). 1935 wurde er mit der Arbeit Versuch einer systematischen Erschließung der Quaestiones disputatae de veritate des hl. Thomas von Aquino (Mayen 1935) in Bonn zum Dr. phil. promoviert. In seinem Literaturverzeichnis ist die Übertragung von Edith Stein aufgeführt.

Nach einer Tätigkeit im Heerespersonalamt und in der Universitätsbibliothek in Bonn wurde Clasen Dozent für Philosophie an den Pädagogischen Akademien in Bonn und Köln; 1958 wurde er, bisher Bibliotheksrat, zum Ordentlichen Professor ernannt.

Später, in ihrer Zeit im Kölner Karmel hat Edith Stein nochmals mit dem Bonner Religionsphilosophen Alois Dempf (Hausdorffstr. 81, damals Hindenburgstr.) Briefkontakt über ihr Hauptwerk Endliches und ewiges Sein. Sei wünscht sich, dass er ihr Manuskript als Fachmann kritisch durchsieht. In Br. 456 (24.5.1936) antwortete ihr Dempf: „Sie haben eine sehr glückliche Hand, diese schwierigen Dinge mitzuteilen, eben aus der klaren Einsicht in die Sache. Da ich selber gerade die Analogia entis innerhalb meiner Religionsphilosophie darstelle, möchte ich natürlich gern wissen, wie Ihre Seinsdarstellung weitergeht.“ Ein möglicher Besuch im Kölner Karmel wird jedoch nicht stattfinden, Dempf schickt einen Boten, um den weiteren Teil des Manuskripts abzuholen. (Br. 458, 4.6.1936)

Nach ihrem Tod würdigte Alois Dempf in einem Brief an Greta Krabbel Steins Werk, genauer: Endliches und ewiges Sein (ESGA 11/12), und unterstützte Krabbel in ihrem Vorhaben, Material für eine Biografie über die Philosophin zu sammeln.[5]

Amata Neyer (1922-2019), Beate Beckmann-Zöller (2020); ergänzt durch Texte von Isolde Rosenau, aus ihrem Manuskript Was in Bonn und Umgebung an Edith Stein erinnert, Bonn 2009 (Isolde Rosenau, Am Stadtwald 2, 53177 Bonn).

[1] Ungebräuchlich, heute: „Karmelitin“.

[2] Bonner Generalanzeiger, 12.11.1931.

[3] Veröffentlicht wurde der Text in Zeit und Schule, Organ des Vereins katholischer Bayrischer Lehrerinnen, 29. Jg. Nr. 19, 1.10.1932 und Nr. 20, 16.10.1932.

[4] Diese Rezension ist veröffentlicht in der Zeitschrift Die christliche Frau, Münster i. W. Aug.-Sept. 1935 /1934, S. 245–252 und Oktober 1934, S. 276–281.

[5] ESGA 28, Br. 785 Alois Dempf an Gerta Krabbel (31.1.1947). Eine Biographie über Edith Stein wurde von Gerta Krabbel nicht veröffentlicht.