Edith Stein in Augsburg

Bezüge zu Edith Stein in Augsburg

Edith Stein war am 24./25. Juli 1932 in Augsburg, um ihren Vortrag „Die Aufgabe der Frau als Führerin der Jugend zur Kirche“ zu halten. Sie sprach vor 1000 Mädchen im Festsaal von St. Stephan (Stephansplatz 6).

Edith Steins berühmter Salzburger Vortrag „Das Ethos der Frauenberufe“ war 1931 im Augsburger Verlag Haas & Grabherr erschienen, der dem politischen Katholizismus nahestand. Edith Steins Aufsatz „Über Geschichte und Geist des Karmel“ (ESGA 19, 127-139) wurde am 31.3.1935 in der Sonntagsbeilage „Zu neuen Ufern“ der Augsburger Postzeitung (ESGA 3, Br. 411, 9.8.1935) veröffentlicht, damals ebenfalls im Besitz des Verlages „Haas & Grabherr“.

Im Diözesan-Archiv des Bistums Augsburg befindet sich ein Brief Edith Steins (ESGA 3, Br. 523, 7.9.1937), Edith Stein spricht hier eine Mahnung aus, sich nicht dem nationalsozialistischen Zeitgeist anzupassen.

Mit dem Karmel in Welden bei Augsburg hatte Edith Stein über Mitschwestern indirekten Kontakt; dort fanden die Mitschwestern Edith Steins nach der Zerstörung ihres Klosters in Köln-Lindenthal Zuflucht bis zum Ende des Krieges.

Heute erinnert das „Haus Edith Stein“ der Kath. Hochschulgemeinde (und Studentenwohnheim) an sie.

https://www.kolping-wohnheime.de/studentenwohnheim-edith-stein-augsburg/haus

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Von dem einzigen Vortrag, den Edith Stein in Augsburg gehalten hat – von dem wir zumindest wissen –, berichtet sie in ESGA 2, Br. 216 ihrer Freundin Adelgundis Jaegerschmid am 28.8.1932: „24./25. Juli nahm ich an einer sehr schönen Jungmädchentagung in Augsburg teil; ich hatte in der Führerversammlung über ‚Die Aufgabe der Frau als Führerin der Jugend zur Kirche‘ zu sprechen.“

An diesem Wochenende fand in Augsburg der 14. Verbandstag des Süddeutschen Verbandes der katholischen Jungmädchenvereine statt. Das Katholische Sonntagsblatt für die Diözese Augsburg vom Sonntag, dem 31.7.1932[1], schilderte dieses Ereignis in einem enthusiastischen, mit acht Fotos bebilderten Bericht[2].

7000 junge Mädchen aus Süddeutschland hatten sich, gekennzeichnet durch Abzeichen, Wimpel und Banner, zum Treffen der „Weißen Rose“ eingefunden. Viele kirchliche Oberhirten nahmen selbst teil oder sandten Grußtelegramme. Selbst die öffentlichen Gebäude Augsburgs waren geschmückt (der Hauptbahnhof mit einem umkränzten Schild „Treu Heil! Weiße Rose“), und Vertreter der Zivilbehörden hielten Ansprachen. Die ganze Veranstaltung, mit öffentlichen Umzügen und Kundgebungen, trug den deutlichen Charakter des Bekenntnisses gegen das heraufziehende „Dritte Reich“. Aus dem Katholischen Sonntagsblatt für die Diözese Augsburg (Sonntag 31. Juli 1932):

„Wie Gewitterwolken lagerten die politischen Kundgebungen der Kommunisten und der Nationalsozialisten über der Stadt, nicht umsonst wurde in banger Sorge vor der Straße gewarnt. Diese Mädchen aber zogen im schlichten Schmuck und in der natürlichen Selbstverständlichkeit ihrer unschuldigen Herzen singend durch die Stadt und entboten mit erhobenem Schwurfinger das Grußzeichen der jungen Katholiken. […]

Wie haben uns diese 7000 Mädchen Mut gemacht! […] Erschienen sie nicht wie Trostengel unter soviel verängstigtem Jammermeiertum, wie schlankes grünendes Jungholz unter soviel Feigheit und Grundsatzlosigkeit. […] Es ist schon öfter so gewesen: wenn die Männer versagten, haben die Frauen das Banner hochgerissen.“[3] – Die „Weiße Rose“ wurde später berühmt durch den Tod der Geschwister Scholl. –

Am Sonntag feierte Bischof Joseph in der St. Antonius-Kirche eine Pontifikalmesse. In der Sängerhalle des Stadtgartens sprach der Verbandspräses Dr. Schrallhamer, Stadtpfarrer in München.

Der Montag (25.7.) war der Tag der „Führer(innen)-Versammlung“, eine Zusammenkunft von ca. 1000 Teilnehmern. Edith Stein sprach nach dem Gemeinschaftsgottesdienst in St. Stephan im Festsaal dieser Gemeinde über das Thema „Die Aufgabe der Frau als Führerin der Jugend zur Kirche“ (ESGA 13, 209-222). Sie trug „in tiefster Feinheit und Klarheit“ vor, wie das Werkblatt der Weißen Rose dokumentierte.

Als Adeliges Damenstift war St. Stephan 969 durch Bischof Ulrich von Augsburg gegründet worden; nach der Säkularisation und der Wiederbelebung des kirchlichen Lebens durch König Ludwig I. von Bayern kamen 1835 Benediktiner aus 16 verschiedenen Klöstern nach St. Stephan, wo sie bis heute wirken. Für Edith Stein als mit den Benediktinern in Beuron besonders Verbundene war das sicher eine angenehm vertraute Umgebung.

Edith Steins Aufsatz „Über Geschichte und Geist des Karmel“ (ESGA 19, 127-139) erschien am 31.3.1935 in der Sonntagsbeilage „Zu neuen Ufern“ der Augsburger Postzeitung (ESGA 3, Br. 411, 9.8.1935). Warum gerade dort, war nicht zu ermitteln.

Im Diözesan-Archiv des Bistums Augsburg befindet sich ein Brief Edith Steins (ESGA 3, Br. 523, 7.9.1937), der Bischof Dr. Viktor Dammertz OSB von Augsburg vor der Heiligsprechung Edith Steins 1998 zum Geschenk gemacht wurde von Anni Kraile. Sie hatte den Brief aus der Erbschaft ihrer Verwandten Katharina Schreier (1900-1954) erhalten.

Diese Studienrätin, eine ehemalige Speyrer Schülerin Edith Steins, war an der Münchener Frauenfachschule tätig und wie Edith Stein Mitglied im „Verein katholischer bayerischer Lehrerinnen“. Sie hatte Edith Stein 1929 in München mit einer Speyrer Abschlussklasse herumgeführt (siehe München). Katharina Schreier war außerdem Mitglied der Marienkongregation der Lehrerinnen in München, deren Zeitschrift Virgo et Mater zu ihrem Tod einen Nachruf veröffentlichte.[4]

In ihrem Brief ermahnt Edith Stein auf freundliche, aber klare Weise die Lehrerin, die anscheinend dem Druck des nationalsozialistischen Zeitgeistes nachgegeben hatte:

„Als ich vor 4 Jahren in den Orden eintrat, habe ich alle Anliegen mitgenommen, die mir anvertraut waren. Ich habe auch die Münchener Lehrerinnen nie vergessen. Auch von Ihrer Last habe ich ja etwas gewußt. –

‚Mußten‘ Sie wirklich aus dem Verein und der Kongregation austreten, liebes Fräulein Schreier? Ich weiß manche, die es nicht getan haben und doch noch im Amt sind. Und ich denke immer: Wenn nach dem Grundsatz gehandelt würde: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes [Mt 6, 33] …, dann stünde es sehr viel besser.

Vieles wäre niemals geschehen, was heute beklagt wird, wenn man den Mut gehabt hätte, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen [Apg 5, 29], und sich Ihm ganz anzuvertrauen. Aber ich will Ihnen damit keinen Vorwurf machen. Ich weiß, wie schwer der Druck der Verhältnisse ist. Ich glaube nur, daß es keinen andern Weg zum Frieden gibt.“

Mit dem Karmel in Welden bei Augsburg hatte Edith Stein über Mitschwestern indirekten Kontakt; dort fanden die Mitschwestern Edith Steins nach der Zerstörung ihres Klosters in Köln-Lindenthal Zuflucht bis zum Ende des Krieges.

Sr. Amata Neyer (1922-2019) / Beate Beckmann-Zöller (2020)

[1] Katholisches Sonntagsblatt, 6. Jg. Nr. 31, S. 501–503. Das Sonntagsblatt bringt einen mit „Dr. Edith Stein“ unterzeichneten Abschnitt mit der Überschrift „Die Frau als Führerin zur Kirche“ (ESGA 13, 209–222). Ein Bericht mit dem Wortlaut des Vortrags befindet sich auch in: Blätter der weißen Rose. Werkblätter des Süddeutschen Verbandes der katholischen Jungmädchenvereine[1]. Der Vortrag ist ebenfalls gedruckt in Benediktinische Monatsschrift, XV. Jg., Heft 11–12, 1933, S. 412–425, hier unter dem Titel „Eingliederung der Frau in das Corpus Christi mysticum“. Der Text ist wahrscheinlich zunächst als 6. und letztes Kapitel der Vorlesung aus dem SS 1932 gedacht gewesen: „Probleme der neueren Mädchenbildung“ (ESGA 13, 127–201).

[2] Sr. Amata bedankte sich in ESGA 2 für „Kopien und Fotos von der Tagung“ bei „Herrn Hans Schotte, Pressereferent des Bistums Augsburg“.

[3] Neyer, „Die Vorträge Edith Steins aus den Jahren 1931-1932“, 318-337, 331-32.

[4] 24. Jahrgang, Nr. 4, München 1954.