Am 07. August wurde in Schifferstadt der hl. Edith Stein gedacht

Ökumenische Gedenkfeier für Edith Stein und alle Opfer des Nationalsozialismus

Es gilt, diese Erinnerung wach zu halten, damit dieses Grauen nie mehr passiert

Schifferstadt (ise). Am Mittwoch, 7. August, hatte die Pfarrei Heilige Edith Stein zur Mittagszeit zur Ökumenischen Gedenkfeier in die St. Jakobuskirche zur Erinnerung an Edith Steins letztes Lebenszeichen eingeladen. Denn an diesem Tag vor 82 Jahren hielt gegen 13 Uhr ein Deportationszug auf dem Weg nach Auschwitz kurz am Schifferstadter Hauptbahnhof. Im Zug waren 987 Menschen eingesperrt, darunter auch Edith Stein. „Wir wollen uns erinnern, weil wir mithelfen wollen, das Böse zu überwinden und – das ist mindestens ebenso wichtig – weil wir daraus Lehren für die Zukunft gewinnen wollen“, hob Pfarrer Stefan Mühl zu Beginn der Feier hervor, die mitgestaltet wurde von Pastoralassistentin Vanessa Großnick, Pfarreimitglied Christian Matthes und Sebastian Schlosser (Orgel).

„Wir gedenken der Heiligen Edith Stein und all der bekannten wie der namenlosen Toten in dieser düsteren Zeit, die zu Opfern des menschenfeindlichen Regimes wurden“, betonte der Pfarrer. In seiner Predigt ging er auf ein kleines vor dem Altar stehendes Ikonenbild ein, das Edith Stein in ihrer Ordenstracht als Karmelitin inmitten von Leidensgenossinnen und Leidensgenossen zeigt: einem Mann, Frauen, vielen Kindern, hinter Stacheldraht. Ob es der Stacheldraht des Lagers Westerbork in Holland gewesen sei, wohin die christlich gewordenen Juden gebracht wurden, bevor sie auf ihren letzten Weg auf den Transport in den Tod geschickt wurden oder der Stacheldraht in Auschwitz, dem Ziel ihrer letzten Fahrt, die sie auch durch Schifferstadt führte, sei dahin gestellt. Wichtig sei vielmehr, dass sie unbestritten den Mittelpunkt des Bildes darstelle: Sie spendet Trost, sie verteilt das letzte Brot, sie ist mit ihrem ernsten und doch gütigem Gesicht für die Mitgefangenen da. Es gibt Zeugnisse über sie, dass sie sich im Sammellager für die Mitgefangenen einsetzte, sich besonders um die schwer bedrängten und bedrohten Frauen kümmerte. So stellt sie die Ikone dar: Als Engel hinter dem Stacheldraht – Ruhe und Trost ausstrahlend, und ganz praktisch helfend. „Was für eine Tragik ihres Lebens: die begabte Philosophin, die sich als Karmelitin mehr und mehr aus der Welt zurückgezogen und im Stillen gewirkt hat, reiht sich ein in die unendlich große Menge der Verfolgten, Gequälten und Misshandelten ihres jüdischen Volkes. Sie muss die rohe unmenschliche Behandlung durch die SS-Schergen ertragen, ist nicht mehr die Gelehrte, sondern nur noch ganz menschlich Mensch unter anderen und für andere – an ihrer Seite“, so seine Beschreibung. „Komm, wir gehen für unser Volk!“, so sagte Edith Stein zu ihrer Schwester Rosa, als die Gestapo ins Kloster in Echt kam, um sie mitzunehmen. Es sei rätselhaft, wie genau sie dies verstanden habe. Aber es könne wohl als Ausdruck ihrer großen Solidarität mit ihren jüdischen Wurzeln und all den Menschen, die den jüdischen Glauben in sich tragen, gedeutet werden. Auch als Christin sei sie Jüdin, Angehörige des Volkes geblieben, zu dem Gott zuerst gesprochen und mit dem er seinen unlösbaren Bund geschlossen habe.

„Sind wir uns der Einmaligkeit, der Monstrosität des Holocausts bewusst?“ so die Frage des Pfarrers. „Wenn diese historische Schuld relativiert wird, wenn man meint, die alten Parolen und die alte Geisteshaltung wieder auspacken zu können, wenn definiert wird, wer bei uns leben darf und wer nicht, wenn Jüdinnen und Juden wieder angefeindet werden, rechtsextremes Gedankengut verbreitet und wieder hoffähig wird, wenn man meint, Gewalt gegen Menschen, nur weil sie anders sind, gerechtfertigt sei, wenn das Gift von Antisemitismus, Rassismus und Faschismus langsam in unsere Gesellschaft tröpfelt, dann haben wir nichts aus unserer Geschichte gelernt“, fügte er eindringlich hinzu.

Gertrud Matthes erinnerte an den Augenzeugen Valentin Fouquet, der als Bahnhofsvorsteher an diesem Tag an der Bahnsteigkante stand und die Einfahrt des bewussten Zuges beobachtete. Eine dunkel gekleidete Dame habe ihn gefragt, ob er von Schifferstadt sei und die Priesterfamilie Schwind kennen würde. Zufällig war Valentin Fouquet ein Schulkamerad des Pfarrers Konrad Schwind. Sie bat ihn daraufhin, der Familie Grüße auszurichten, sie wäre die Edith Stein und fahre gen Osten. Die Dame habe einen ruhigen und freundlichen Eindruck gemacht.

Man dürfe es nicht zulassen, dass sich solches Grauen wiederhole, nicht die Augen verschließen, wenn es nur die geringsten Anzeichen dafür gäbe, dass es wieder in eine solche Richtung gehe. Vielmehr müsse man aufstehen, wo die Menschenwürde mit Füßen getreten werde und alles dafür tun, dass sich solch eine Menschenverachtung nie wieder breit mache. „Wir müssen den Anfängen wehren, bevor es zu spät ist. Das sind wir Edith Stein und den Millionen anderer Menschen schuldig“, so die Überzeugung von Pfarrer Stefan Mühl.

Ein anderes Bild zeigte, wie aus dem Stacheldraht eine Rose wächst. „Der Stacheldraht kann überwunden werden, denn Liebe, Solidarität, Empathie und Hingabe sind letztlich stärker als Gewalt. Das ist unser Glaube“, betonte er. Das zeige auch das Lebensbeispiel Edith Steins und vieler anderer, die ungebeugt und ungebrochen in den Tod gegangen seien. „Aus dem Stacheldraht können Rosen wachsen, wenn Menschen sich gegen Hass und Unmenschlichkeit wenden, wenn sie bereit sind, Furcht zu überwinden und noch so kleine Zeichen der Menschlichkeit zu schenken, wie die Menschen, die damals auf dem Bahnhof Edith Stein einen letzten Dienst erwiesen haben, mit ihr sprachen und ihre Botschaften weitergaben“, erklärte er.

Zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wurden vor das Ikonenbild von Edith Stein Rosen abgelegt, zum Gedenken an die Opfer in Auschwitz, Buchenwald, Bergen-Behlsen, Majdanek, Treblinka, Sachsenhausen, Theresienstadt, Mauthausen, Dachau, Neuengamme, Ravensbrück, Flossenburg, Natzweiler, Sobibor, Osthofen, aller Konzentrationslager, der jüdischen Opfer, Sinti und Roma, Opfer der Menschen mit Behinderung, Opfer unter Homosexuellen und der Menschen, die Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten.

Stand vor dem Altar: Kleines Ikonenbild mit Edith Stein, vor der Rosen für sie und die Opfer des Nationalsozialismus niedergelegt wurden.

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