Edith Stein in Salzburg

Bezüge zu Edith Stein in Salzburg

Durch ihren einstündigen – frei gehaltenen – Vortrag „Das Ethos der Frauenberufe“ am Montag, den 01.09.1930, um 10 Uhr in der Aula der Universität Salzburg wurde Edith Stein auf einen Schlag sehr berühmt (ESGA 13, 16-29).

Es war die Herbsttagung des katholischen Akademikerverbandes vom 30.8.-3.9.1930 (ab 1931 „Salzburger Hochschulwochen“) und sie war die einzige Frau unter den Referenten.

Über die Wirkung ihres Vortrags schrieb sie: „Salzburg hat erstaunliche Kreise gezogen. Ich muss bald da, bald dort als Rednerin auftreten.“ (Br. 121, 10.12.1930)

„Salzburg“ war wohl auch der Anlass, dass sie ihre Stelle als Dozentin in Münster ab Februar 1932 erhielt.

Über Prag fuhr sie von Breslau aus nach Salzburg und übernachtete in einem Gästezimmer des Kollegs St. Benedikt. In der Stiftskirche der benediktinischen Erzabtei St. Peter, in 5 min Gehweg Entfernung von der Universität, verbrachte Edith Stein vor ihrem Referat eine Stunde stiller Meditation.

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Edith Stein reiste von Breslau aus über Prag nach Salzburg (Br. 97, 26.7.1930 an Callista Kopf). Nach ihrem Vortrag, der am letzten Tag ihrer Schulferien stattfand, reiste sie weiter über München und mit dem Nachtzug nach Speyer, da am 2.9. ihre Verpflichtung in der Schule wiederbegann.

„Die 1. Ferientage habe ich benützt, um einen Vortrag auszuarbeiten, den ich am letzten Ferientag in Salzburg zu halten habe.“ (ESGA 4, Br. 141, 26.7.1930)

Über ihren Vortrag schrieb sie einer Freundin: „Mein Referat soll ‚Das Ethos der Frauenberufe‘ behandeln. Ursprünglich war mir das grundlegende – Christliches Berufsethos – zugedacht, und eigentlich hatte ich nur zugesagt, weil das mir im Augenblick der Anfrage gerade lag. Dann wurde von den Salzburgern ein eigenes Frauenthema als unerläßlich bezeichnet, und so habe ich mich darein ergeben; das andere hat [Dietrich von] Hildebrand übernommen“ (Br. 98), der direkt vor Edith Stein referierte.

Der Salzburger Vortrag „Das Ethos der Frauenberufe“ erschien als Büchlein bei Haas & Grabherr in Augsburg 1931.

Edith Stein lernte in Salzburg verschiedene bekannte Persönlichkeiten kennen oder kannte sie z. B. schon aus Beuron, wie P. Aloys Mager, der damals Professor für Aszese und Mystik an der Theologischen Fakultät in Salzburg war und 1930 auch als Mitbegründer der Salzburger Hochschulwochen fungierte. Sie traf ihn wieder im Haus Venio in München.

Auf der Herbsttagung des Katholischen Akademikerverbandes (30.8.–3.9.1930) wurde der Beschluss gefasst, jährlich ab 1931 die katholischen „Salzburger Hochschulwochen“ stattfinden zu lassen, um katholischen Akademikern die Möglichkeit zu geben, die Inhalte ihrer Fachbereiche aus katholischer Weltanschauung heraus zu beleuchten.

Das Grundthema 1930 lautete: „Christus und das Berufsleben des modernen Menschen“. Die Referenten der Tagung – Edith Stein war darunter die einzige Frau – gehörten ausnahmslos der geistlichen und wissenschaftlichen Prominenz an.

Im Rahmen der Tagung veranstaltete der Salzburger Universitätsverein unter dem Vorsitz von Fürsterzbischof Dr. Rieder einen Festakt, bei dem Prof. Peter Wust (Köln, später Münster) am Abend des 2.9.1930 im Mozarteum einen vielbeachteten Vortrag hielt über „Die Idee einer katholischen Universität für das deutsche Volkstum“.[1] Edith Stein war zu diesem Vortrag nicht mehr anwesend. Sie entschuldigt sich in einem Brief vom 31.10.1930 dafür, dass es nicht mehr zu einem Gespräch mit Wust gekommen war (ESGA 2, Br. 112).

Die Akademikertagung in Salzburg trug auch einen starken kirchlich-liturgischen Charakter mit „gewagten“ Neuheiten: jeder Tag begann mit der von allen Beteiligten vollzogenen „Missa recitata“ (eine Sonderform der Gemeinschaftsmesse, in der alle Beteiligten die Texte auf Latein mitzitieren konnten) in der Kollegienkirche St. Benedikt. Beim Choralamt und dem abendlichen Completorium fanden die Teilnehmer ihre Plätze im Chorgestühl von St. Peter. In der Stiftskirche von St. Peter verbrachte Edith Stein vor ihrem Referat eine Stunde stiller Meditation (Bericht von Prof. Thomas Michels OSB, der ebenfalls Mitbegründer der Hochschulwochen ist).[2]

Ausführliches über diese Tagung berichteten mehrere Zeitschriften, z. B. die Benediktinische Monatsschrift, Beuron, 12. Band, 1930, S. 497–503; Der Katholische Gedanke, 3. Heft 1930; deutsche und österreichische Tageszeitungen informierten täglich über den Verlauf der Vorträge und Gottesdienste. Walter Dirks vermisste in Edith Steins Vortrag die Auseinandersetzung mit der „möglichen Problematik, Tragik und Krise des Berufes“ und „der Versklavung der Frau, die in tausend Formen heute Tatsache ist“.[3]

Durch „Salzburg“ eröffneten sich Edith Stein mehrere Möglichkeiten, z.B. zur Habilitation, als sich der katholische Professor für Systematische Theologie Joseph Koch für sie zu interessieren begann. Er war ein Bekannter von Edith Steins Schwager Hans Biberstein. (ESGA 2, Br. 163, 28.6.1931) Er habe auch „in Rom sehr rühmliche Urteile über mich (d. h. über meinen Thomas) gehört“ und würde „mich sehr gern kennenlernen“.

„Er wünscht dringend, daß ich hier Phänomenologie (in meiner Modifikation) dozieren könnte, und hat seitdem schon begonnen, den katholischen Ordinarius für Philosophie, Prof. [Ludwig] Baur, in dieser Richtung zu bearbeiten.“ Prof. Koch wollte Edith Stein zur Habilitation in Breslau verhelfen, die jedoch zunächst ihre Mutter fragte, ob ihr das überhaupt „recht wäre“, wenn sie „hier am Ort in aller Öffentlichkeit eine katholische Wirksamkeit ausübte“.

Zu ihrer „Überraschung zeigte es sich, daß sie alles in Kauf nehmen will“, wenn Edith Stein nur in Breslau bleibe. Edith Stein schrieb, sie „lasse die Sache ruhig laufen und warte ab, was dabei herauskommt. Meiner Arbeit ist es gleich, wo sie Verwendung findet.“ (ESGA 2, Br. 163)

Bei der Sache kam nichts heraus, aber ihre Stelle in Münster ab Februar 1932 verdankt sie sehr wohl ihrem Salzburger Vortrag.

Gute 5 Jahre nach dem Salzburger Vortrag tat sich für Edith Stein die Möglichkeit auf, ihr Hauptwerk Endliches und ewiges Sein in der Sammlung „Christliches Denken“ im Verlag Anton Pustet in Salzburg erscheinen zu lassen. Die Reihe wurde allerdings nach zwei Bänden wieder eingestellt (ESGA 3, Br. 440, 2.2.1936).

Am 9.11.1937 (Br. 529) schreibt sie dann: „Pustet ist jetzt nicht in der Lage zu drucken. Jakob Hegner in Wien ist nicht abgeneigt, es zu nehmen. Ich habe um Rücksendung des Ms. von Salzburg gebeten.“

Dort war bereits das Imprimatur (die kirchliche Druckerlaubnis) vom Salzburger Ordinariat am 3. November 1937 erteilt worden, so dass es in Wien nicht erneut beantragt werden musste. Aber auch dort konnte das Werk – ebenso wenig wie bei Borgmeyer in Breslau – gedruckt werden, so dass es erst 1950 im Herder Verlag erscheinen konnte (ESW II, Freiburg i. Br. 1950).

Amata Neyer (1922-2019), Beate Beckmann-Zöller (2020)

[1] Veröffentlicht in Schönere Zukunft, Jg. 6, S. 8–10, 35 f.

[2] Vgl. Neyer, Amata, „Die Vorträge Edith Steins aus den Jahren 1926-1930“, in: Edith Stein Jahrbuch 6 (Die Weltreligionen, Band 1), Würzburg 2000, S. 410-431, über Salzburg S. 426-428.

[3] Rhein-Mainische Volkszeitung, 1930; zitiert nach einer Abschrift ohne Datenangaben, siehe Neyer, a.a.O.