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In Bergzabern ist Edith Stein im Sommer1921 zu Besuch bei Hedwig Conrad-Martius, einer Schülerin Husserls, die sie in Göttingen kennengelernt hatte und mit der sie sich gut verstand. Sie liebt den geistigen Austausch mit der Freundin, hilft aber auch gerne in deren Obstplantage aus. In ihrer Suche nach dem wahren Glauben besucht sie in Bergzabern sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche. Während dieses Aufenthaltes liest sie das „Leben der hl. Teresa von Ávila, von ihr selbst erzählt“. Sie hatte es von Anne und Pauline Reinach aus deren Bibliothek in Göttingen geschenkt bekommen, wie wir seit 1983 aus der eidesstattlichen Erklärung der Augenzeugin Pauline Reinach in den Seligsprechungsakten wissen. Leider hielt sich lange die falsche Überzeugung von Renata Posselt, der ersten Biographin Edith Steins, dass das Buch aus der Bibliothek in Bergzabern stamme.
Später bemerkt Edith Stein dazu, dass die Lektüre dieses Buches ihrem „langen Suchen nach dem wahren Glauben ein Ende gemacht hatte“ (ESGA 1, 350). Sie sucht den Bergzaberner Pfarrer Eugen Breitling auf, weil sie sich in der katholischen Kirche taufen lassen will. Am 1. Januar 1922 wird sie von ihm auf die Taufnamen Edith Theresia Hedwig getauft, am folgenden Tag empfängt sie ihre erste hl. Kommunion. Taufpatin ist Hedwig Conrad-Martius, deren religiöse Suche sie in eine evangelische Freikirche geführt hatte. Edith Stein feierte als Laien-Christin ihren Namenstag immer am 15.10., dem Gedenktag der Hl. Teresa von Ávila.
In der Pfarrkirche St. Martin wird heute das Buch, das sie damals gelesen hatte, aufbewahrt. Sie hatte es sich in Göttingen aus der Privat-Bibliothek von Anne Reinach herausgesucht. Dass sie es in einer einzigen Nacht durchgelesen habe, wie ihre erste Biographin Renata Posselt schrieb, ist nicht möglich, sondern darf als euphemistische Übertreibung gelten. Auf der ersten Innenseite findet sich der handschriftliche Eintrag von Hedwig Conrad-Martius „Bergzabern, Sommer 1921“. Vgl. dazu den Artikel „Edith Steins Bekehrung“ …
Die Obstplantage von Theodor Conrad und Hedwig Conrad-Martius war auch in späteren Jahren Begegnungsort des Phänomenologen-Kreises aus Göttingen, Edith Stein kam von Speyer aus immer wieder einmal dazu.
Literatur: Feldes, Joachim, Das Phänomenologenheim. Der Bergzaberner Kreis im Kontext der frühen phänomenologischen Bewegung (Ad Fontes / Studien zur frühen Phänomenologie)“, Nordheim 2015.
Die Pfarrgemeinde, heute „Kath. Pfarrei hl. Edith Stein“, wahrt ihr Andenken und lädt zur Begegnung mit ihr ein. Im Gedenken an Edith Stein hat Bischof Dr. Anton Schlembach die Kirche zur Tauferinnerungskirche des Bistums Speyer erklärt.
https://www.edith-stein-taufkirche.de
Auf dem Ludwigsplatz vor der Kirche erinnert seit 2013 ein Denkmal, gestaltet vom Künstler Daniel Moritz Lehr, an Edith Stein.
Eine Reha-Klinik für Menschen mit orthopädischen, neurologischen und geriatrischen Erkrankungen trägt nicht nur Edith Steins Namen, sondern widmet sich auch ihrem Erbe.
https://www.reha-bza.de/unsere-klinik/ueber-uns/herzlich-willkommen.html
Literatur:
Adele Stork / Beate Beckmann-Zöller (2020)
Andreas Uwe Müller/Maria Amata Neyer:
Edith Stein – das Leben einer ungewöhnlichen Frau, Benzinger Verlag Zürich und Düsseldorf 1998
Feldes, Joachim, Das Phänomenologenheim, Nordhausen 2015
Feldes, Joachim Feldes, „Diesen lieben Blick vergesse ich nie“.
Edith Stein und der Liebfrauenberg, 2., aktualisierte Auflage, Speyer
2013 (vergriffen)
Grimm, Brigitte / Höckelsberger, Bernd, Edith Stein (1891-1942).
Auf den Spuren einer Heiligen in Bad Bergzabern. Edith-Stein-Rundweg, Bad Bergzabern 2019 (Flyer)
Der bedeutsamste Schritt im Leben Edith Steins war ihr Schritt zum Taufbecken in der St. Martinskirche zu Bad Bergzabern, einem Städtchen an der Weinstraße, nahe der pfälzisch-elsässischen Grenze. Durch den Göttinger Philosophenkreis hat Edith Stein Frau Hedwig Conrad-Martius nach dem Tod Adolf Reinachs kennengelernt. Aus der Freundschaft entwickelte sich eine Studien-Arbeitsgemeinschaft, sie übersetzten gemeinsam: Koyré, Alexandre, Descartes und die Scholastik (ESGA 25). Das Ehepaar, das in Bad Bergzabern ein ausgedehntes Obstgut bewirtschaftete, hatte in der Ferienzeit Edith Stein öfter zu Gast. Auch andere Phänomenologen kamen zu Besuch, so dass sie das Conrad-Martius’sche Haus „Das Phänomenologenheim“ nannten (Feldes, Joachim, Das Phänomenologenheim, Nordheim 2015). Für Edith Stein war es eine Zerstreuung, beispielsweise bei der Mirabellenernte behilflich zu sein. Am Tage wurde gearbeitet und an den Abenden philosophiert. (ESGA 4, Br. 76)
Aus Göttingen, ein Geschenk von Anna und Pauline Reinach, brachte Edith Stein die Autobiographie der Teresa von Ávila mit, und fand hier den Anstoß, ebenfalls Karmelitin bzw. zunächst einmal katholisch zu werden. Zum christlichen Glauben im Sinne einer inneren Wiedergeburt hatte sie sich bereits durch das Zeugnis der Anne Reinach nach dem Tod ihres Mannes 1918 bekehrt.
In Bergzabern war Edith Stein nun zum konkreten Schritt, in die katholische Kirche einzutreten, bereit: sie kaufte sich einen katholischen Katechismus und ein Schott-Meßbuch. Bald darauf ging Edith Stein in die Pfarrkirche in Bad Bergzabern und wohnte der Heiligen Messe bei.
Da die Weihnachtsferien 1921/22 wieder Gelegenheit zum nächsten Bergzabern-Aufenthalt boten, wurde als Tauftag der Neujahrstag 1922 festgelegt. Edith Stein bat ihre Freundin Hedwig Conrad-Martius, obwohl sie protestantisch war, die Taufpatenschaft zu übernehmen, und wählte sich die Taufnamen Theresia Hedwig. Tags darauf feierte sie die Heilige Messe mit und empfing zum ersten Mal den Leib des Herrn, mit dem sie sich von diesem Tag an täglich nährte.
Am 20. Oktober 1996 wurde die neugestaltete Taufkirche von Edith Stein durch Bischof Dr. Anton Schlembach als Tauferneuerungskirche für die ganze Diözese bestimmt. Der Taufstein wurde bei der Neugestaltung in der Mitte der Kirche aufgestellt. Das rechte Verständnis der Taufe ist nur aus dem rechten Verständnis der Kirche zu gewinnen. Taufe ist für den Einzelnen wesenhaft Initiationsritus, durch den er Glied der Kirche wird.
Möge ein Besuch in der Taufkirche von Edith Stein und Tauferneuerungskirche helfen, die Gnade und Verpflichtung unserer eigenen Taufe tiefer zu erfassen und tauf-bewusst zu leben.
Helmut Kunz (1932-2014; Pfarrer in Bergzabern 1977-2001); ergänzt durch Beate Beckmann-Zöller, 2020